Gute Pflege ist kein Luxus – sie ist eine Haltung.
- Hagr Arobei
- 16. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Pflegeheime werden häufig nach dem beurteilt, was sich einfach messen lässt: Sturzraten, Pflegeminuten, Dokumentationen. Doch was sagen diese Zahlen wirklich über das Erleben der Bewohnenden oder die Atmosphäre im Team aus?
François Muller, Gründer und CEO von Leading Nursing Homes (LNH), erklärt im Experteninterview, warum Pflegequalität heute zu einseitig verstanden wird – und wie LNH neue Massstäbe setzen will.

Herr Muller, viele sagen, Qualität in der Pflege sei schwer messbar – und noch schwerer vergleichbar. Warum brauchen wir trotzdem ein Label wie LNH?
Weil Qualität sehr wohl messbar ist – wenn man weiss, worauf man schauen muss.
Es reicht nicht, allein auf Sturzraten oder Medikationsfehler zu setzen, denn solche Indikatoren sind stark kontextabhängig. Mit LNH haben wir über ein Jahr daran gearbeitet, herauszufinden, was gute Qualität in der Langzeitpflege wirklich ausmacht. Dafür haben wir die renommiertesten Expertinnen und Experten aus unterschiedlichsten Bereichen eingebunden. Das Ergebnis: ein umfassender Kriterienkatalog mit genau 100 Punkten – von der Dekubitusprävention über den Geruch auf einer Pflege-Abteilung bis hin zur Vertretung unterschiedlicher Kompetenzen in der Führung eines Heims
Was war der Auslöser für die Gründung von LNH – und was läuft Ihrer Meinung nach heute falsch in der Qualitätsbewertung von Pflegeheimen?
Es fehlt an einer objektiven, ganzheitlichen Messung, die alle Dimensionen der Qualität berücksichtigt.
Der Anstoss war ganz persönlich: Ein Freund fragte mich, welches das beste Heim für seine Mutter sei – und obwohl ich beruflich laufend mit Pflegeeinrichtungen zu tun habe, konnte ich ihm keine fundierte Antwort geben. Zudem kam, dass einige Heime, mit denen wir zusammenarbeiten, ähnliche Gedanken hegten.
Es fehlt an einer objektiven, ganzheitlichen Messung, die alle Dimensionen der Qualität berücksichtigt. Für den einen bedeutet Qualität gutes Essen, für den anderen ein inspirierendes Aktivierungsprogramm oder exzellente Pflege. Bestehende Bewertungen sind oft zu einseitig und stark dokumentenzentriert. Genau hier setzt LNH an: Wir schauen nicht nur auf Prozesse, sondern auch auf das, was tatsächlich beim Menschen ankommt.
LNH berücksichtigt auch soziale Teilhabe, Hotellerie oder das Erleben der Bewohnenden. Kritiker könnten sagen: Das ist Luxuspflege. Wie begegnen Sie diesem Einwand?
Das hat weniger mit teuren Investitionen zu tun, sondern mehr mit Leidenschaft, Innovationsgeist und echtem Einsatz für Bewohnende und ihre Angehörigen.
Gute Pflegequalität ist kein Luxus – sie ist eine Haltung. Qualität entsteht dort, wo gute Führung das Engagement der Mitarbeitenden entfalten kann. Das hat weniger mit teuren Investitionen zu tun, sondern mehr mit Leidenschaft, Innovationsgeist und echtem Einsatz für Bewohnende und ihre Angehörigen. Wenn ein Heim soziale Teilhabe ermöglicht, eine angenehme Umgebung schafft und dabei professionell pflegt – dann ist das keine Luxuspflege, sondern einfach gute Pflege.
Sie sprechen oft davon, dass Pflegeheime auch Arbeitgeber-Marken sind. Welche Rolle spielt Führungsqualität und Mitarbeiterbindung für gute Pflege?
Es gibt eine direkte Wechselwirkung zwischen der Qualität der Pflege und der Mitarbeiterzufriedenheit.
Eine entscheidende Rolle. Es gibt eine direkte Wechselwirkung zwischen der Qualität der Pflege und der Mitarbeiterzufriedenheit. Natürlich sind Lohn und Benefits wichtig, aber noch viel entscheidender ist das Gefühl, gute Arbeit leisten zu können. Wenn Führungskräfte dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen, entsteht ein Umfeld, in dem Mitarbeitende motiviert und engagiert arbeiten können. Und genau das schlägt sich in der Pflegequalität nieder. Diese positive Spirale will LNH gezielt fördern.
Einige Kantone diskutieren derzeit die Pflegeheimplanung und Vergabeentscheidungen. Könnte LNH in diesem Kontext ein Steuerungsinstrument werden – oder ist das zu ambitioniert?
Nein, das ist absolut realistisch - und sogar notwendig.
Wir stehen bereits in engem Austausch mit mehreren Kantonen. Ich bin überzeugt, dass LNH künftig als Qualitätsgarantie dienen kann – etwa für die Erteilung oder Verlängerung von Betriebsbewilligungen. Es braucht transparente, nachvollziehbare und faire Kriterien – genau das bieten wir mit LNH.
Was ist Ihre Vision: Wie soll ein gutes Pflegeheim in 10 Jahren aussehen – und welchen Beitrag kann LNH dazu leisten?
LNH soll eine aktive Rolle spielen: als Qualitätsgemeinschaft [...].
Vielleicht sprechen wir in zehn Jahren gar nicht mehr von „Pflegeheimen“, sondern von intelligenten Unterstützungsnetzwerken, die Menschen im Alter bedarfsgerecht begleiten – mit menschlicher Nähe und technologischer Unterstützung. Auf diesem Weg soll LNH eine aktive Rolle spielen: als Qualitätsgemeinschaft, die führende Institutionen miteinander vernetzt und den Austausch von Wissen sowie Best Practices fördert. Denn Qualität ist kein Zustand – sie ist ein kontinuierlicher Lernprozess.
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